Zitat:
Original von plusminus.de:
Fußball-Wettskandal weitet sich aus
BR, Dienstag, 14. März 2006
Januar 2005: Der Wettskandal um Schiedsrichter Robert Hoyzer. Die deutsche Fußballnation ist erschüttert. März 2006: Ein neuer Verdacht auf Spielmanipulationen in der 2. Liga und den Regionalligen. DFB-Chef Zwanziger hofft, daß wenigstens die Bundesliga sauber bleibt. Allerdings: Die Wahrheit sieht höchstwahrscheinlich nicht so rosig aus! Denn nach Plusminus-Recherchen ist die Bundesliga wohl längst betroffen – und selbst ein Nationalspieler soll laut Insider-Informationen, die der Redaktion vorliegen, mit der so genannten Wettmafia zusammenarbeiten.
Wetten – ein Milliardengeschäft
Mehrere Monate recherchierten Mitarbeiter der Plusminus-Redaktion in der illegalen Wettszene. Schnell wird klar: Hier geht es um sehr viel Geld. So hat sich der Umsatz mit den Sportwetten im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht! Experten schätzen ihn für 2006 auf 4 Milliarden Euro.
Organisierte Strukturen
In der Szene scheinen sich regelrechte Paten etabliert zu haben – mit anscheinend guten Kontakten zu Profi-Fußballern. Ein Informant, der seit Jahren in diesem Umfeld agiert, will gegenüber Plusminus auspacken. Er berichtet von mehreren Bundesligaspielern, die nach seiner Darstellung mit der Wettmafia zusammenarbeiten - einer soll sogar in der deutschen Nationalmannschaft spielen. Der Informant: "Ich war persönlich bei so einem Gespräch dabei. Da hat ein Bundesligaspieler gesagt: 'Wir werden morgen verlieren'. Und dann hat er noch selber 10.000 Euro gegen seine eigene Mannschaft gesetzt. Ich habe das alles mitgehört." Meistens laufen solche Gespräche am Telefon ab, damit keiner die Spieler beim Wetten sieht. Aber es soll auch Treffen geben, bei denen Geld übergeben wird.
Warnsysteme ohne Chance
Doch warum fallen solche Wetten keinem auf? Es ist anscheinend die Art und Weise, wie auf ein bestimmtes Spiel gewettet wird: Ein Wettpate trifft nach Aussage des Informanten Absprachen mit Fußballprofis, die auch selber Wetten platzieren. Per Handy werden dann Mittelsmänner in ganz Europa informiert. Die wiederum geben die Wettaufträge an Komplizen weiter. Schließlich wird bei verschiedenen Wettannahmen eine Vielzahl von Wetten mit relativ kleinen Beträgen platziert - meist nicht viel mehr als 100 Euro – und kombiniert mit Wetten auf andere Spiele. Aufgrund der kleinen Summen fallen diese Wetten nicht oder wenn, dann zu spät auf. Nach dem Spiel wandert der Wettgewinn letztendlich in die Tasche des Paten. Die Mittelsmänner verdienen mit, indem sie selber auf die Spiele wetten. Und auch die Fußballer erhalten ein "Honorar".
Europaweites Netzwerk
Wie wir erfahren, soll die Wettmafia europaweit vernetzt sein. Der Informant berichtet: "Ich kenne die alle. Der Hoyzer und der Ante Sapina in Berlin sind da nur ganz kleine Fische. Auch bei dem Wettskandal in Belgien, wo jetzt gerade die belgische Polizei ermittelt, haben wir alles gewusst. Da hat ein Spieler von Sint Truiden den Tipp gegeben. Und dann wurde bei uns gesetzt. Über 400.000 Euro sind da allein bei einem Wettanbieter gewonnen worden."
Sollten diese Informationen stimmen, wäre dies ein europaweiter Wettskandal großen Ausmaßes. Tatsache ist: Aufgrund der Plusminus-Recherchen prüft nun die Staatsanwaltschaft München I, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen.
Rechtliche Grauzone
Doch selbst, wenn in der Wettszene gar nicht manipuliert würde – die privaten Wettanbieter sind trotzdem illegal. Denn noch immer gilt in Deutschland das staatliche Glücksspiel-Monopol - und das Betreiben privater Wettbüros ist strafbar. Das allerdings stört die Betreiber wenig: Fast täglich eröffnen neue Wettannahmen: So gibt es in Frankfurt bereits über 70 Wettbüros, in Hamburg über 100 – ähnlich viele sind es in München. Und in Berlin wurden von Polizei und Behörden bereits über 250 gezählt. Doch die Behörden greifen zurzeit nicht ein. Der Hintergrund: Am 28. März 2006entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Zulassung privater Wettanbieter – und bis dahin passiert – nichts!
Trübe Aussichten
Doch sollten die Verfassungsrichter die Wettbüros legalisieren, wird der Wettmarkt wohl noch stärker wachsen. Und wenn das Gericht gegen die privaten Wettanbieter entscheidet, bleibt denen immer noch das Geschäft über das Internet. Denn das große Geld will sich keiner entgehen lassen im WM-Jahr 2006 – und schon gar nicht das kriminelle Milieu!
Bericht: Sebastian Hanisch, Johannes Thürmer
Dieser Text gibt den Fernsehbeitrag vom 14.03.2006 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.