Metallurg Donetsk - Dinamo Kiew 1:1

  • Am Abend des 9.September fand im Stadion "Schachtyor" das Spitzenspiel der "Vyshe Liga"
    zwischen Metallurg Donetsk und Dinamo Kiew statt.
    Da bereits am Nachmittag der bisherige Tabellenzweite Schachtyor Donetsk in Poltawa gegen
    Vorksla knapp und glücklich mit 1:0 gewonnen hatte, würde der Ortsnachbar sich bei einem Punktverlust
    der Kiewer an die Tabellenspitze setzen.


    Da die innerstädtische Konkurrenz eher ein Miteinander als Gegeneinander ist, war schon der
    Punktverlust von Schachtyor am vorigen Spieltag gegen Metallurg (0:0) eine kleine Sensation,
    denn bei diesem Spiel kann man eigentlich getrost sein ganzes Geld auf einen Sieg von Shachtyor
    setzen. Ähnlich dunkel sieht auch die Bilanz von Metallurg gegen Dinamo Kiew aus, so daß ein
    Sieg der Gäste das wohl Normalste war.
    Dennoch waren sowohl die Fans der Gastgeber, als auch zahlreiche Fans von Schachtyor vor Ort,
    denn Überraschungen beim Fußball sind so selten nun nicht...


    Wie gesagt, das Verhältnis Metallurg/Schachtyor Donetsk ist mit deutschen Relationen nicht zu
    vergleichen. Bei den Ortsderbys sitzt man gemischt im Stadion ohne daß es zu Ausschreitungen kommt
    und gelegentlich unterstützt man sich fanmässig wie eben gegen Kiew.
    Zu klar sind auch die Machtverhältnisse in der Stadt ausgerichtet, Schachtyor ein Traditionsverein,
    mehrmals Meister, seit Jahren Zuschauermagnet in der Liga mit rund 20.000 Zuschauern pro Spiel,
    CL-und Europacuperfahren und dagegen Metallurg: erst 1996 gegründet, mittlerweile in acht verschiedenen
    Stadien gespielt, teilweise außerhalb von Donetsk, zu normalen Spielen so um die 2.500 Zuschauer,
    Minusrekord in der höchsten Spielklasse mit einem Heimspiel vor rund 100 (!!!) Zuschauern (war im Winter
    in Makeewka), keine Plakate in der Stadt, die das Spiel ankündigen usw...


    Dennoch hat auch Metallurg in seiner kurzen Geschichte schon am UEFA-Cup teilgenommen, wenn
    auch ein 0:8 in Bremen sicherlich kein Ruhmesblatt ist (2002), aber im Hinspiel hielt man beim 2:2
    ganz ordentlich dagegen und hatte damals rund 20.000 Zuschauer. Einen harten Fankern gibt es auch
    und eine mehrfach ausgezeichnete Internetseite...


    Gespielt wurde im Stadion "Schachtyor", welches eigentlich das Heimstadion von Schachtyor Donetsk
    war und einige CL-Schlachten sah. Für Metallurg in jeder Weise mit ca. 33.000 Zuschauern
    Fassungsvermögen weit überdimensioniert, selbst gegen einen Gegner wie Dinamo Kiew.


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    Eine Sitzplatzkarte der besten Kategorie für ca. 3 Euro erworben und enttäuscht festgestellt, daß
    es nicht einmal ein Programm gab. Dafür konnte man an den zahlreichen Souvenirständen sowohl
    Fanartikel des Gastgebers, als auch des Lokalrivalen Schachtyor erwerben, wie es auch Schals
    von Dinamo Kiew zu kaufen gab...Nun einen Schal besaß ich selbstverständlich
    schon, ist doch Metallurg mein zweitliebster Verein seit ich die
    Fans 2002 kennenlernte...
    Für 2 Euro für meine holde Frau und für mich noch je eine der
    in ukrainischen Stadien unvermeidlichen Tröten zum Krachmachen (gabs nur in Schachtyor-Farben)
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    erworben und dann das Stadion
    geentert. Dort wurde die Handtasche meiner Frau einer umfangreichen Inspektion unterzogen und
    zwischen ihr und dem Milizionär entwickelte sich ein netter Plausch, was da alles drin ist und wozu
    man das alles braucht...


    Im vom Flutlicht erhellten Stadion dann offiziell 9.000 Zuschauer, darunter
    ein Dinamo-Kiew-Fanblock mit ca. 300 Fans gefüllt, welche einige Fahnen, Banner und eine
    überdimensionale Blockfahne mit sich führten. Etwa gegenüber hatte sich der harte Kern der
    Metallurg-Fanszene positioniert, mit blau-weißen Fahnen, Schals und Musikinstrumenten...
    Diese sollten dann auch im weiteren Verlauf zum Einsatz kommen, so daß es außer der üblichen
    Tröterei auch noch diverse Stimmunseinlagen musikalischer Art gab. War mal was ganz anderes.
    Die Kiewer waren auch zu hören, aber die Weite des Stadions und der ständige Krach ließ nicht
    viel bis zu meinem Platz hören. Dennoch ein ganz ordentlicher Mob.


    Zum Spiel: Eine sensationelle erste Halbzeit von Metallurg, taktisch klug eingestellt ließ man Kiew
    das Spiel machen ohne Chancen zuzulassen und wiederum selbst mit geschicktem Konterfußball
    im eigenen Stadion die Kiewer Abwehr ein ums andere mal in Verlegenheit zu bringen.
    Hochverdient dann auch der Führungstreffer von Prijemow in der 22.Minute, Ecke nach einem
    Konterangriff und Tor. Riesenjubel zumal Kiew kein Konzept gegen Metallurg fand.
    Überragend der georgische Nationalspieler Demetradze im Angriff und Tschetscher, der den
    Spielaufbau organisierte.


    Interessant, daß dieses Spiel unter der Leitung des österr. Referees Messner stand, eine in der
    Ukraine nicht unübliche Praxis. Dieser stand im Mittelpunkt des Geschehens in der 35. Minute:
    Demetradze wird von Rodolfo (Kiew) in Höhe Mitte gefoult und revanchiert sich mit einer
    Nahkampfeinlage, die sein brasilianisches Gegenüber dankend annimmt. Nun war ich absolut
    sicher, daß für beide die rote Karte folgt, aber nach kurzer Diskussion mit den Spielern und dem Linienrichter
    beließ es Stefan Messner bei gelben Karten. Später gab er in der lokalen Sportzeitung ein Interview
    und meinte auf diese Szene angesprochen: so schlimm war es ja nicht und beide Spieler verhielten sich
    nach der Rangelei wie Gentleman und entschuldigten ihren Gegenspieler, so daß ich es bei Gelb
    belassen konnte. Sicherlich eine Ermessensentscheidung, aber ob die dem jungen Referee bei den
    knallharten UEFA-Beobachtern weitergeholfen hat ?


    Nach der Pause machte Kiew Druck und Metallurg zog sich zu weit zurück, so daß sich zwangsläufig
    Chancen ergaben. Der Ausgleich lag förmlich in der Luft und ich fragte mich, warum die Gastgeber
    sich so zurückdrängen liessen. Zudem leistete sich der CL-erfahrene Torwart Wirt nun auch den einen
    oder anderen Patzer beim Rauslaufen, nachdem er bei den wenigen Chancen der Kiewer in
    Halbzeit eins absolut souverän wirkte. Auch auf der Torlinie ein Ass, nur wenn er seinen Kasten verließ,
    stockte den Zuschauern der Atem.


    Und genau so fiel dann folgerichtig das 1:1, Eckball...der Metallurg-Keeper läuft in den Strafraum und
    am Ball vorbei und Rincon kann in der 54. Minute unbedrängt den Ball ins leere Tor zirkeln.


    Wer nun dachte, dass Spiel kippt, der irrte sich. Kiew hatte überraschend nichts mehr zum Zusetzen und
    Metallurg wurde immer sicherer und hatte selbst noch Chancen zum Sieg. Die Zuschauer unterstützten
    nun fanatisch ihr Team und waren beim Abpfiff mit dem 1:1 durchaus zufrieden, hatte man selbst zwar
    in der Tabelle keinen Boden gut gemacht, aber dem Ortsnachbarn zur Tabellenführung verholfen.
    So wurden die Spieler auch noch gebührend für ihren Kampfgeist gefeiert.
    Für mich war zu diesem Zeitpunkt überraschend, wie wenig Dinamo Kiew vom Spielerischen und
    vom Einsatz entgegenzusetzen hatte. Die folgenden Spiele bestätigten aber den derzeitigen Leistungsstand
    der Dinamos, verlor man doch in der CL zu Hause gegen Steaua Bukarest mit 1:4 und in Madrid bei
    Real mit 1:5 und auch in der Meisterschaft gewann man glücklich gegen Mariupol mit 1:0 zu Hause und
    spielte gegen Vorksla Poltawa nur 1:1...


    Metallurgs spanischer Trainer Angel Alonso zeigte sich zufrieden mit dem 1:1, monierte aber, daß
    man drei Spieler verletzungsbedingt auswechseln mußte (u.a. Demetradze)...


    Rincon erzielte für Dinamo das 1000. Tor in der ukrain. Meisterschaft.


    Interessant noch folgende Randgeschichten: Die Mannschaftsaufstellung wurde zu Spielbeginn der
    ersten bzw. zweiten Halbzeit durchgegeben als das Spiel schon lief, empfand ich als störend.
    Die Stadionuhr wurde exakt nach Ablauf der 45 Spielminuten abgeschaltet, toll wenn man weiß daß noch
    drei Nachspielminuten zu spielen sind, aber keine Ahnung hat, wieviel davon schon weg sind...
    Und ein neues Gesetz verbietet das Rauchen im Stadion, was heimlich dennoch getan wurde, aber
    von den Milizionären geahndet wurde, zuerst mit einer Aufforderung die Zigarette auszumachen, dann
    mußten zwei hartnäckige Raucher aus unserem Block das Stadion verlassen...


    Zur Verpflegungslage kann ich nix sagen, vor dem Stadion gab es genug Stände, aber ich hatte zu Trinken
    anbei, was ich auch problemlos ins Stadion bekam...


    Im Rahmen der Völkerverständigung bekam ich bei diesem Spiel von
    einem neutralen russischen Fußballfan einen "Kuban Krasnodar"-Schal (Absteiger aus
    der höchsten russ. Spielklasse, aber derzeit souveräner Tabellenführer
    der zweiten Liga) geschenkt...


    Beide Tore kann man sich in einer Sequenz hier anschauen:


    http://www.metallurg.donetsk.ua/archive/?action=item&id=358


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    (Fotoquelle: mit freundl. Genehmigung von der Metallurg-Homepage)


    Eine Bildergalerie von dieser Begegnung findet man hier:


    http://www.metallurg.donetsk.ua/archive/?action=item&id=359

  • Zitat

    Sind deine Russisch-Kenntnisse noch so gut?


    Nun ja, ich kann mich verständigen, kann die Zeitungen lesen und
    verstehe im Gespräch das meiste (zumindest so sinngemäß)...


    Aber das liegt nicht am fundierten Russischunterricht, da hatte ich
    das meiste schon vergessen, sondern an der Tatsache, daß ich mit
    einer Ukrainerin verheiratet bin und so nach und nach wieder einiges
    gelernt
    habe. Da ich schon sehr oft dort war, bleibt einem ja auch nix anderes
    übrig, denn man will sich ja auch auf eigene Faust in der Stadt bewegen.
    Und deutsch bzw. englisch sprich kaum jemand.


    Wenn ich dann wie jetzt drei Wochen dort bin, ist das das beste
    Training für die Sprache, komplizierte Dinge kann dann meine Frau dolmetschen...


    Macht aber Spaß und man gewinnt ganz neue Erkenntnisse und
    erfährt und erlebt auch mehr als der Durchschnittstourist.