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Software-Milliardär Dietmar Hopp (SAP) will eine Laientruppe in die Bundesliga bringen und Bayern München jagen. Nur ein Traum? Der Match fängt grade an.
Von Jörg Allmeroth
Roman Abramowitsch? Mit dem Öl-Oligarchen, der sich den europäischen Spitzen-Fussballklub Chelsea London als teures Spielzeug leistet, hat Dietmar Hopp nicht viel am Hut. «Wir geben unser Geld massvoll aus», sagt Hopp. Trotzdem darf auch dem 66-jährigen Deutschen ein gewisses Mass an Grössenwahn unterstellt werden: Hopp will den Wald-und-Wiesen- Klub TSG Hoffenheim zu einem Verein formen, der dereinst die Bayern aus München und Werder Bremen in der Bundesliga herausfordert. Um dieses Ziel zu erreichen, kleckert Hopp keineswegs: Rund 25 Millionen Euro hat er für seine ambitionierte Zielsetzung bereits ausgegeben.
Peanuts für den Selfmade-Millionär, den Mitbegründer und einstigen Vorstandsvorsitzenden des Software-Riesen SAP. Um Chef eines Bundesligisten zu werden, könnte Hopp auch den FC Bayern München kaufen und Manager Uli Hoeness entlassen. Doch er verfolgt in seinem aktiven Ruhestand die Utopie vom Bundesligaverein in seiner nächsten Heimat, der Kurpfalz. Eine deutsche Spitzenmannschaft im Grossraum zwischen Mannheim und Heidelberg.
Das Ziel ist hoch gesteckt und derWeg entsprechend steil. Noch spielt Hoffenheim in der Regionalliga, Deutschlands dritthöchster Klasse. Wie grau und leblos dieser Fussballalltag ist, erlebte Trainer Ralf Ragnick jüngst wieder: Ganze 800 Zuschauer verloren sich im Grünwalder Stadion in München, wo Hoffenheim bei den Amateuren des TSV 1860 antrat. Als 90 holprige Regionalliga-Minuten vorüber waren, hielt der frühere Bundesliga- Topcoach fest: «Unsere aktuelle Ligazugehörigkeit stört mich massiv.» Schon bald will er in einer höheren Liga nach München zurückkehren: In die moderne Allianz- Arena, wo die Profis von 1860 München in der 2. Bundesliga spielen.
Eigentlich ist Rangnick kein Mann für die Provinz. Noch vor einem Jahr war er Cheftrainer bei Schalke 04 und erlebte rauschende Europacup-Abende in Mailand oder Istanbul. Dann wurde der oft als «Fussballprofessor» betitelte Rangnick bei Schalke entlassen. Hopp verpflichtete ihn umgehend, um aus derTiefe der Kurpfalz das vorläufig letzte Kapitel eines Aufstiegsmärchens zu schreiben. «Wir haben grosse Ziele. Aber diese Ziele sind nicht nur ein schönerTraum. Sie sind realisierbar», sagt Rangnick.
Sein Mitarbeiterstab hat längst Bundesliga- Qualität: Neben Ralf Rangnick hat Hopp den Trainer der deutschen Landhockey- Nationalmannschaft als Motivationskünstler engagiert: Bernhard Peters, 46. Peters hatte im Vorfeld der Fussball- WM für grosse Aufregung gesorgt, als der Trainer der deutschen Nationalmannschaft, Jürgen Klinsmann, ihn zum Sportdirektor berufen wollte. Was an der Kampagne der Zeitung «Bild» scheiterte. Nun wacht Peters in Hoffenheim als Direktor für Sport und Nachwuchsförderung über Sportinternate, Trainingsanlagen und die Personalpolitik.
Hopp ist nicht auf Husch-husch-Erfolg mit einem Kader zusammengekaufter Altstars aus. Er verschafft dem Verein mit einer gezielten, wissenschaftlich fundierten Nachwuchsarbeit die Basis für das Ziel, dereinst tatsächlich ein Spitzenteam zu sein. Und er veranstaltet auch kein finanzielles Harakiri: «Wir wollen, dass der Verein baldmöglichst Gewinne schreibt», erwähnt Hopp.
«Wenn sich andere Vereine dieses Beispiel zu Herzen nähmen, wäre viel gewonnen», sagt sogar Jürgen Klinsmann, der mit der deutschen Nationalmannschaft im Sommer an der Weltmeisterschaft Deutschland in kollektive Trance versetzt hat. Das Hopp-Projekt sei deshalb so phänomenal, lobt Klinsmann, weil es nicht nur Fussball beinhalte, sondern auch erzieherische, gesellschaftliche und soziale Themen. «Als junger Fussballer wäre ich von einem solchen Angebot begeistert gewesen.»
Tatsächlich: Zu Hopps Vision gehört unverrückbar der Wille, bald eigene Talente in einer erstklassigen Mannschaft spielen zu lassen. «Bei uns sollen deutsche Spieler wie selbstverständlich eine Chance bekommen. Das schafft eine grössere Identität zu den Fans.»
Hopp kennt den Sport. Er hat mit seinem Geld schon den Eishockeyklub Adler Mannheim vor dem Konkurs bewahrt und mit der HSG Kronau/Östringen ein Handballteam aus der Region in der Bundesliga etabliert. Beide Mannschaften spielen in der SAP-Arena in Mannheim, einer 100 Millionen Euro teuren multifunktionalen Sport- und Konzertarena, die Hopps Sohn Daniel führt. Und auf dem von Hopp gebauten Golfplatz in St. Leon-Rot nahe Heidelberg findet jeweils das SAP-Open statt, ein traditionsreiches Turnier, bei dem schon TigerWoods mitspielte.
Der heimatverliebte Milliardär und Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse konzentriert sich keineswegs nur auf den Sport: Mit seiner Stiftung, deren Kapital aus 28 Millionen SAP-Aktien besteht, verteilt er Gelder an die lokalen Krankenhäuser,Altersheime, Forschungszentren und Schulen. «Unser Interesse konzentriert sich in erster Linie, sogar fast ausschliesslich, auf die Region. Das ist unsere oberste Prämisse», bestätigt Hopp.
Ihnen sei schon immer klar gewesen, berichten Weggefährten heute, dass Hopp sein Geld einmal dort ausgeben werde, wo noch immer sein Lebensmittelpunkt ist. Daheim,wo ihn fast alle Vadder Hopp rufen. Auch die Arbeiter bei SAP. Denn Vadder Hopp führte sein Unternehmen am liebsten wie ein Familienpatriarch.
Sein Lieblingsprojekt ist die TSG Hoffenheim, der Fussballklub auf dem Weg nach oben. Nur beschäftigte Hopp lange Zeit die Frage: Wohin mit dem künftigen Bundesliga- Klub? Wo soll eine bundesligataugliche Sportarena entstehen? Die Suche nach dem geeigneten Standort wurde zur regelrechten Odyssee durch die Kurpfalz. Erst handelte sich Hopp in Mannheim Schrammen ein, wo er das Projekt ohne den ortsansässigen SV-Waldhof realisieren wollte. Dann blitzte er in Heidelberg ab, wo Bürgermeister Raban van der Malsburg knapp befand, Heidelberg sei «eben keine Fussballstadt».
Schliesslich half dem öffentlich blossgestellten Gönner die Kreisstadt Sinsheim, deren Teil Hoffenheim ist, aus der Patsche. Das Städtchen hat nur etwas über 32 000 Einwohner. Etwas klein für einen Bundesliga- Verein. Doch Hopp bleibt unbeirrt: «Wir werden auch hier ein Erfolgsmodell schaffen.» Dem pflichtet Ralf Rangnick vorbehaltlos bei. Als Trainer ist er Dietmar Hopps wichtigster sportlicher Ansprechpartner: «Wenn wir attraktiven Fussball bieten, kommen die Leute überall hin», ist Rangnick überzeugt. Dann spielt es seiner Ansicht nach keine grosse Rolle, wo das Stadion steht.
Nach einem holprigen Start in diese Saison und schadenfrohen Seitenblicken der neidischen, im Vergleich nahezu mittellosen Konkurrenz liegt Hoffenheim nun gesichert auf dem zweiten Platz der Regionalliga Süd. Das ist eine Position, die zum Aufstieg in die 2. Bundesliga berechtigt. «Die Regionalliga ist eine undankbare Klasse, aus der wir schnell rauskommen wollen», sagt Rangnick. Das Ziel heisst Bundesliga. Dort angekommen wird Vadder Hopp sich mit den Fans von der Stehplatztribüne die Spiele gegen Bayern oder Bremen ansehen.
Der Entrepreneur, der als einer der ersten Tüftler den Segen von Standardsoftware für Firmen entdeckte, will kein Abramowitsch sein. Er will nicht in der edel ausgestatteten VIP-Loge aus dem Champagnerglas schlürfen. Als Stürmer unterer Ligen, dem in den Fünfzigerjahren Gerüchten zufolge regelrechte Wundertore gelangen, geniesst Hopp das Echte, das Urchige am Fussball: «Bier und Bockwurst gehören dazu, wenn man ins Stadion geht.»
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Dietmar Hopp, 66
Hopp ist der erfolgreichste deutsche Unternehmer jüngerer Zeit. Gemeinsam mit vier Kollegen gründete er 1972 eine Firma mit dem Namen Systemanalyse Programmentwicklung – SAP. Heute ist SAP mit mehr als 30 000 Angestellten hinter Microsoft und Oracle die drittgrösste Software- Schmiede der Welt. Hopp war von 1988 bis 1998 Vorstandsvorsitzender von SAP und wechselte danach als Chef in den Aufsichtsrat. 2005 zog er sich aus dem Geschäftsleben zurück. Sein Privatvermögen wird auf drei Milliarden Euro geschätzt.