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Wegen Sicherheitsbedenken muss Ajax Amsterdam das Auftaktspiel in der Ehrendivision an einem geheimen Ort austragen
Peter Riesbeck
BERLIN, 10. August. Hollands Fans sind ein wenig ratlos. Und nicht nur sie. Auch die freundliche Tonbandstimme in der Warteschleife von Ajax Amsterdam weiß derzeit nicht so recht weiter. "Das Spiel gegen ADO Den Haag wird auf neutralem Terrain und unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen. Mehr können wir dazu im Moment leider nicht sagen. Wir bemühen uns um weitere Informationen", heißt es dort. Ende der Ansage.
Die Saison startet, aber der Ball rollt am Wochenende nicht überall in Holland. Amsterdams Bürgermeister Job Cohen hat das Ajax-Auftaktspiel gegen Den Haag verboten. Wegen Sicherheitsbedenken, lautet die Begründung. "Uns fehlt es an Polizeikräften", sagt eine Sprecherin der Stadt. "Wir haben im August die Segelmesse Sail, die GayPride und das Kulturfestival Uitmarkt.ö
Das ist zu viel. Für Amsterdam. Und für den Sport. Der holländische Fußballverband KNVB bot zwar an, das Spiel von Sonntag auf Freitag zu verlegen. Die Stadt aber lehnte ab, und so greift eine alte Regel. "Kann eine Stadt die Sicherheit der Besucher eines Spiels nicht garantieren, wird die Partie auf neutralem Platz unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen", sagt Frank Huizinga vom KNVB. Der Ball taucht unter. Ein merkwürdiger Saisonauftakt. So ganz ohne Fans, an geheimem Ort.
"So sind nun mal die Regelnö, sagt Huizinga. An Spekulationen über Hintergründe des kuriosen Saisonauftakts mag er sich nicht beteiligen, ebenso wie Ajax-Sprecher Simon Keizer: "Das hat mit der vergangenen Saison nichts zu tun."
Mancher mag das kaum glauben. Im vorigen September nämlich stand die Partie ADO Den Haag gegen Ajax kurz vor dem Abbruch. Ajax-Stürmer Rafael van der Vaart - jetzt in Diensten des HSV - bekniete den Schiedsrichter, das Spiel zu beenden. ADO-Fans beleidigten seine Freundin als "Hure". Dann hallten antisemitische Gesänge gegen Ajax, den Klub mit jüdischer Tradition, durchs Rund: "Hamas. Hamas. Juden ins Gas." Der Referee aber mochte nichts hören. Erst als ADO-Fans Böller zündeten, stapfte er zum Stadionsprecher. Der bat: "Bitte unterlassen Sie das Abbrennen von Feuerwerkskörpern."
Nicht alle waren so taub. Das Parlament befasste sich mit dem Spiel, und der Fußballverband erinnerte die Klubs an ein altes Gesetz: Bei Hassgesängen droht Spielabbruch. Im Oktober war es dann soweit. In der Partie gegen Eindhoven schickte Schiedsrichter René Timmink die Kicker von Den Haag in die Kabine. Ihre berüchtigten Fans hatten wieder verbal randaliert.
Schmähgesänge haben Tradition in Hollands Stadien. Gerne wird einem Spieler "kankerziekö nachgeschrien - "krebskrank". Besonders aber trifft es Ajax Amsterdam, den Klub, der nach 1945 zu einer Ersatzfamilie für viele emigrierte Juden wurde und in dessen Reihen jüdische Spieler wie Sjaak Swart, Bennie Muller und Jaap van Praag spielten. Von einer "jüdischen Umgebung wie sie im Nachkriegs-Holland fast einzigartig warö, spricht der Journalist Simon Kuper in seinem Buch "Ajax, The Dutch, The War."
Der Klub hat auf die Ressentiments nun reagiert. Er möchte sein Image vom "Judenklub" ändern. Paradoxerweise, um gegnerischen Fans die Grundlage für ihre antisemitischen Gesänge zu entziehen.
Hinter der Grenze
Der Ball rollt derweil weiter. Am Mittwoch spielte Ajax in der Champions-League-Qualifikation gegen Bröndby Kopenhagen 2:2. Auswärts. Die Fans in der Heimat rätseln derweil, wo das Spiel gegen Den Haag ausgetragen werden könnte. Geheimtraining, das kennt man ja. Aber ein Geheimkick? KNVB-Sprecher Huizinga will dazu nichts sagen. Und auch nicht zu nahe liegenden Spekulationen. Denn auch hinter der Grenze gibt es bekanntlich Stadien. In Mönchengladbach etwa. "Kein Kommentar", sagt Huizinga dazu nur, fügt aber hinzu. "Spiele der Ehrendivision dürfen auch im Ausland ausgetragen werden.ö
Zu Hause kann der Fan übrigens mit dabei sein. Das Fernsehen hat am Mittwoch angekündigt, die Partie zu übertragen. Von wo? Das bleibt weiter streng vertraulich.
