Am 17.September fand das Spitzenspiel zwischen Tabellenführer Schachtyor Donetsk
und dem Überraschungsvierten Tavriya Simferopol statt. Im Gegensatz zu den Spielen
des Ortsnachbarn Metallurg fanden sich zu diesem Spiel reichlich Plakate in der Stadt
und noch am Freitag war ich Zeuge, wie in der Rush-Hour ein Lautsprecherwagen kreuz
und quer durch die Stadt fuhr und Werbung für dieses Spiel machte.
Die Tendenz sprach eindeutig für die Schachtyorfußballer aus Donetsk: hatten sie doch
von den bisher ausgetragenen Heimspielen gegen die Kicker von der Krim erst einmal
verloren und das war noch zu Zeiten, als Anfang der 90iger Tavriya seine beste Zeit
hatte und sogar 1992 Meister wurde...lang ist her.
Dennoch gab es eine gewisse Spannung, da Tavriya sich ganz gut verstärkt hatte, zudem
stark in die neue Saison gestartet war und zudem die Donetsker mit der Last einer 0:4-Pleite
aus dem Olympiastadion zu Rom heimgekehrt waren...und das, nachdem man dort eine Stunde
lang den AS Rom beherrscht hatte und zwei absolut 100%ige Chancen nicht einlochte.
Nach dem 0:1 von Rom passierte das, was man erwarten konnte; die Mannschaft aus Donetsk, welche
vorher einen Spielanteil von 67% (!) zu 33% hatte (laut Zwischenanzeige im TV) brach förmlich auseinander
und kassierte ein Tor ums andere...
Das Wetter war schön an diesem Sonntag und nachdem wir unsere Tochter mittags noch getauft hatten,
beliessen wir (Schwiegervater, mein Sohn und ich) die Feierlichkeiten den weibl. Familienangehörigen
und setzten uns ins Richtung "Olympiastadion" Donetsk ab.
Dort war erwartungsgemäß schon eine Stunde vor Spielbeginn ganz schön was los.
So erwarben wir erst einmal Karten der gehobenen Kategorie (Sitzplatz mit gepolsterter Schutzauflage,
überdacht, Höhe Mittellinie) für 40 Griwna, was für ukrainische Verhältnisse ganz schön teuer ist, für
uns aber nur ca. 6 Euronen bedeutet.
Dann noch eine Runde ums Stadion gedreht: dieses war ja mal das "Lokomotiv-Stadion" ein kombiniertes
Fußball/Leichtathletikstadion, woran das Denkmal für den Helden der Stadt, Stabhochsprungweltmeister
Sergej Bubka (der beim Hinflug von München mit uns im Flugzeug weilte), erinnert.
Danach wurde es renoviert und diente als Spielstätte für Metallurg Donetsk.
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Aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen tauschte man dann: Metallurg spielt jetzt im 33.000 Zuschauer
fassenden Schachtyor-Stadion und das "Lokomotivstadion" wurde erneut renoviert (u.a. alle Sitze in Sitzschalen
umgewandelt, Farbgebung von weiß-blau in orange-schwarz (Schachtyor) geändert, Überdachung und
dient nun mit einem Fassungsvermögen von 25.000 Zuschauern dem Vorzeigeklub aus Donetsk als
Heimspielstätte. Vielleicht liegt es etwas mehr zentral, aber so gravierend weit weg liegt das alte Stadion
auch nicht.
Und die Geschichte geht noch weiter: Mäzen der Schachtyormannschaft ist Rinat Achmetow, ein Milliardär,
dessen Onkel als Präsidentenvorgänger bei einem Spiel gegen Tavriya(!) mit Zielfernrohr
von den naheliegenden Bergbauabraumhügeln von der Mafia im Stadion hingemeuchelt wurde.
Dieser Rinat Achmetow lässt nicht
nur das jetzt "Olympiastadion" heissende ehemalige Lokomotivstadion erneut renovieren (im Hinblick
darauf, daß sich die Ukraine für die EM 2012 bewirbt), nein für Schachtyor entsteht vis-a-vis vom
Olympiastadion im ehemaligen Park der Leninkomsomolzen eine futuristische ca. 50.000 Zuschauer
fassende Arena...
Vor dem Stadion Riesentrubel, viele Leute, Souvenirstände, Verpflegungsstände, Musik und Breakdancer.
Als wir das Stadion betreten wollten gab es die oblgatorischen Kontrollen, ich hatte eine Bauchtasche um und
antwortete dem Milizionär auf die Frage nach dem Inhalt naiv und wahrheitsgemäß: Dokumente, Geld und
Zigaretten... Daraufhin wurde dieser wild und verlangte von mir, daß ich die Zigaretten wegwerfen sollte,
denn es ist Rauchverbot im Stadion. Das wies ich natürlich von mir, sagte ihm, daß ich sehr wohl weiß,
daß man im Stadion nicht raucht und daß mir beim Besuch von Oper oder Theater auch niemand die
Ziggis abnimmt. Nun ja, wenig erfolgreich, er bestand auf wegwerfen und ich auf behalten und nachdem
ich die Gewichtsklasse meines Gegenübers eingeschätzt hatte und mich trotz nur eigener 70kg im Vorteil
wähnte, schob ich ihn einfach zur Seite und betrat das Stadion. (Wäre ich Einheimischer gewesen, wer weiß...
aber so als Ausländer traute sich auch von seinen Kollegen niemand mich aufzuhalten)
Dort hatten offiziell 22.000 Zuschauer, darunter etwa 10 Fans von Simferopol Platz genommen. Diese Zahl
halte ich für etwas zu hoch gegriffen, hätte selbst auf vielleicht 18.000 geschätzt. Aber dennoch ganz
gut besucht, stimmungsvoller Fanblock der Gastgeber, dazu wurden die Zuschauer von überdimensional
lauten Stadionlautsprechern aufgeheizt, wie auch ein Tigermaskottchen (warum Tiger?) seine Runden
drehte und die Blöcke animierte...
Vor dem Spiel hatte ich mir ein Programm für ca. 75 Cent gekauft, sowie eine Fahne für meinen Sohn, alles andere
zum Lärm machen und an Fanuntensilien hatten wir ja bereits.
Warum, fragte ich mich beim Betreten unseres Blocks, denn für die Zuschauer auf den gehobenen Plätzen
brachten die Stewards das Programm sogar hinterher...umsonst...
Das Spiel: eine eher langweilige erste Halbzeit. Tavriya spielte mit zwei Verteidigungslinien zu
fünf Mann und lauerte auf Konter, Schachtyor wirkte uninspiriert und fand kein Mittel dagegen.
Gegen Ende der ersten Hälfte sagte ich noch zum Schwiegervater, daß es wohl in Hälfte Zwo nicht
besser wird, da ich mir nicht vorstellen konnte, daß man konditionell und psychisch nach dem schweren
CL-Spiel noch zulegen konnte. Aber just da bekam Schachtyor einen Freistoß und der brasilian.
Nationalspieler Elano zirkelte diesen so zuckermässig ins Eck, daß dem Schlußmann keine Abwehr-
chance blieb. so ging es mit einem glückliche 1:0 in die Kabinen.
In der Pause wurden dann auf die Eintrittskarten Freikarten für die CL-Heimspiele verlost, aber ich wollte
erst mal schauen, wo ich heimlich eine Ziggi ziehen konnte. Nun bereits am Oberrang des Stadions fand
ich zwischen zwei Verpflegungsständen eine halbe Hundertschaft der Verfemten, welche kräftige Rauchwolken
in die Luft bliesen. Da auch Miliz und der Maskottchen-Tiger anbei waren, stellte ich mich guten Gewissens
dazu und pfiff mir ein Halbzeitzigarettchen ein.
Die zweite Hälfte begann unter Flutlicht und mit einem Knaller: eine Freistoßkopie des 1:0 krachte an den Innen-
pfosten...nur wenig später das 2:0 einer völlig wie ausgewechselt spielenden Gastgebermannschaft durch Belik.
Nun war man klar überlegen, es folgte noch das wunderschön in einer Kombination herausgespielte 3:0 in
der 66.Minut durch Lewandowski und der Rest war "spielen für die Galerie" und Feiern. Mehrmals gab es La-Ola-
Wellen im Stadion, was meinen Sohn begeisterte.
In der 75.Minute hatte nach einem Konter Gomenjuk (Tavriya) die Chance allein gegen den heutigen Ersatz-
torwart Schust, aber dieser klärte die 100%ige Chance mit einem Klassereflex.
So wurde es auch nix mehr mit einem Ehrentor. Schade fand ich, daß nach der tollen Leistung in Halbzeit Zwo,
aufgrund des klaren Spielstandes viele Zuschauer schon weit vor Schluß das Stadion verliessen.
Wo die 10 Tavriya-Fans in der zweiten Hälfte abgeblieben waren ist mir auch nicht bekannt, der Block war
leer und ich sah sie nimmermehr.
Vielleicht waren sie einem militanten Nichtraucherordner in die Hände gefallen..
Fazit: taktisch Klasseleistung von Tavriya bis zum 0:1 in der 43.Minute. Als man selbst mehr öffnen mußte,
kam die spielerische Überlegenheit von Donetsk voll zum Tragen. Schöne Stimmung, ich hab dann nach dem
Spiel noch bischen geschaut, wie die Fans ihre Riesenblockfahne zusammenlegten, das ist ja richtig Arbeit .
In den Kurve stehen zwei Videobildwände, aber die interessantesten Szenen (umstrittene Entscheidungen etc.)
werden ja nicht gezeigt, dafür aber dann wieder reichlich Reklame...
[Blockierte Grafik: http://www.donbass.dn.ua/sport/2006/676/foto/676-04.jpg]
(Fotoquelle: Sport-Arena mit freundl. Genehmigung)