• Ein trauriges FSV-Kapitel


    Von Michael Löffler ( FNP )


    Was sich am Bornheimer Hang abspielt, ist eines der traurigsten Kapitel des deutschen Frauenfußballs. Der FSV-Vorstand hat sich entschlossen – viele Jahre zu spät – den Rettungsanker zu werfen. Es heißt nun Konsolidierung um jeden Preis, selbst wenn das dem sportlichen Offenbarungseid gleich kommt. Folge: Die Mannschaft kehrt dem Verein den Rücken. Mit wenig finanziellen Mitteln sowie mit einem Umfeld, das in der Branche einen sehr schlechten Ruf genießt, sind aber bundesligataugliche Verstärkungen nicht zu erwarten. Wer auf den FSV als Absteiger 2006 setzt, liegt kaum falsch.


    Musste es so weit kommen? Nein! Wenn schon vor dem jetzigen Aufsichtsratsvorsitzende Mario Blechschmidt sich Vertreter des Gesamtvereins für den Frauenfußball interessiert hätten. Wenn an der Abteilungsspitze nicht so oft Profilneurotiker gestanden hätten. Wenn der einzige organisatorisch funktionierende Betrieb nicht nur der VIP-Raum gewesen wäre. Und wenn . . .


    Ihren Abschied von der großen Sportbühne hat sich die Bundesliga-Rekordspielerin sicher anders vorgestellt. Nach fast 500 Spielen im FSV-Trikot, davon knapp 300 in der Frauenfußball-Bundesliga, hätte Gaby König-Vialkowitsch sicher einen würdigeren Abschluss verdient. «Ich
    war und bin mit dem Herzen eine FSVlerin. Angebote aus anderen Vereinen hatte ich viele. Aber ein Wechsel kam für mich nie in Frage. Ich habe immer gedacht, dass ich einmal mit einem Abschiedsspiel am Bornheimer Hang meine Karriere beenden werde.» Doch nun kam alles anders. Das 2:2 gegen den FFC Heike Rheine war nicht nur ihr letztes Spiel. So wie die 33-Jährige erklärte bis auf die beruflich an Frankfurt gebundenen Uschi Holl und Anika Stunz der gesamte Spielerinnenkader, künftig nicht mehr für den FSV anzutreten.

    Der Grund: Unterschiedliche Auffassungen über die Zukunft des Teams vom Bornheimer Hang. Die Spielerinnen und Trainer Frank Fahle verfolgten das Leistungsprinzip und wollten mit wenigen Verstärkungen den FSV wieder an die Spitze heranführen. Den Abteilungsvorstand und auch den Gesamtvorstand interessierten wiederum – aus Sicht des Vereins vielleicht verständlich – nur die wirtschaftlichen Aspekte. Kein Geld, kein Spitzensport, so einfach ist die Rechnung. Deshalb musste der Trainer gehen. Die Mannschaft, die unmissverständlich erklärt hatte: «Bleibt der Trainer, bleiben wir alle, auch für weniger Geld; bleibt er nicht, gehen wir», zieht nun die Konsequenzen. «Mit finanziellen Problemen wurde beim FSV immer gekämpft. Das Umfeld stimmte selten. Das hat mit Eitelkeiten zu tun, manche aus dem Führungsstab haben sich einfach überschätzt. Irgendwo wurde schlecht gewirtschaftet. Und es wurde von Jahr zu Jahr schlimmer, sagt König-Vialkowitsch rückblickend.


    Für sie war es nun der Abschied vom Fußball. «Schade, ich habe noch einmal zu einer tollen Form gefunden und wollte noch ein Jahr anhängen», sagt die 33-Jährige, die 25 Jahre dem FSV die Treue hielt und in dieser Zeit alle Höhen und Tiefen erlebte. Die schönste Zeit erlebte sie in den «goldenen 90ern». «Am liebsten erinnere ich mich an das Pokalfinale 1990, als 60 000 Zuschauer in Berlin nach unserem 1:0-Sieg gegen Bayern München ,zieht den Bayern die Lederhosen aus’ sangen, an meinen Treffer beim 3:1 in Berlin 1992 gegen Siegen und an das 4:1 im Meisterschaftshalbfinale 1995. Frank Fahle, damals Trainer vom Gegner Duisburg, sah drei Treffer von mir», kramt die vorbildliche Kämpferin in den Erinnerungen. Zu den schönen Momenten gehören auch zwei Derby-Triumphe: 1997 im Pokalviertelfinale, als ihr per Kopf gegen Doris Fitschen der Siegtreffer gelang, und 1998, als der FSV mit einem 5:0-Triumph beim einzigen ernsthaften Konkurrenten SG Praunheim drei Spieltage vor dem Saisonende die Meisterschaft in der damals neu eingeführten eingleisigen Bundesliga perfekt machten. «Mein fußballerisch peinlichster Moment war das 2:6-Fiasko im Pokalfinale gegen Duisburg drei Wochen später», sagt die dreimalige Nationalspielerin.


    Nur drei Kurzeinsätze hatte sie im DFB-Trikot. 1991 wurde sie beim 2:4 gegen die USA zehn Minuten vor Schluss eingewechselt. Das war es dann erst einmal. Sie sei zu dick, soll der damalige Bundestrainer Gero Bisanz gesagt haben. Nicht zu ihr. Es stimmte auch nicht. Gaby war das weibliche Pendant zu Gerd Müller: Sie hatte kräftige Oberschenkel, doch dick war sie nie. Zwei Jahre später lud sie Bisanz erneut ein. Beim Nationalmannschaftslehrgang zeigte sie gute Leistungen und war im Kader für die EM. Beim Bundesligaspiel in Saarbrücken zog sie sich aber einen Innenbandriss im Knie zu. Zur Europameisterschaft fuhr ihre Teamkollegin Katja Bornschein. Im Dezember 1993 wurde sie bei einem Turnier noch einmal berufen: Gegen Russland und gegen Polen durfte sie insgesamt 28 Minuten ran. Dann war sie wieder verletzt und nach der Genesung trotz beständig starker Leistungen auch vergessen.


    Die Verletzungsmisere begleitete Gaby König-Vialkowitsch über die ganzen Jahre. Schon bei ihrem ersten Einsatz in der Ersten Mannschaft. 15 Jahre war sie jung, als sie Monika Koch-Emsermann als Libero aufs Spielfeld schickte. Sie spielte bis zum Ende. Trotz eines Bänderrisses. Wenig später wurde der FSV mit einem 5:0-Triumph in Bergisch Gladbach zum ersten Mal Deutscher Meister. Ohne König-Vialkowitsch, die im Krankenhaus lag. Doch sie kämpfte sich zurück. So wie so oft auch in der Folgezeit, zuletzt in der laufenden Saison. «Als Kind habe ich mit den Jungs auf der Straße gespielt. Da lernst du nicht nur die Technik, sondern auch die nötige Härte, um mit Schwierigkeiten fertig zu werden.» Nun ist der Vorhang gefallen. Wohl für immer. Denn als Trainerin wird man Gaby auf keinen Fall sehen: «Ich habe immer Frauen als Trainerinnen gehasst, nun werde ich das auch niemanden antun.»