Pierluigi Spagnolo und Kai Tippmann klären in Stadionrebellen über die italienische Fankultur auf

Wie wichtig die Fankultur für den Fußball ist und welche Farben und Atmosphäre diese in die modernen Arenen zaubert, kann derzeit nur in Videos, Fanzines und Büchern nachvollzogen werden. So wie zum Beispiel in der Neuerscheinung ‚Stadionrebellen – Eine Geschichte der italienischen Ultrabewegung‘. Das Original von Pierluigi Spagnolo hat zwar bereits vor zwei Jahren in Italien das Licht der Welt erblickt, die Übersetzung von Kai Tippmann ist jedoch erst seit kurzem auf dem deutschen Markt erhältlich.



Die Fanseele wird erkundet


Selten hat es ein Buch über Fußballfans in Italien geschafft, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Das liegt vor allem daran, dass der Autor nicht allein auf Krawalle und Auseinandersetzungen abseits des Stadions eingegangen ist. Vielmehr ist Spagnolo tief in die italienische Fanseele eingetaucht, um herauszufinden, was eigentlich der Auslöser für diese besondere Leidenschaft war. Entsprechend setzt er in seinem Buch auch vor einhundert Jahren an, um den Ursprüngen des Fußballs auf dem Stiefel nachzugehen und befasst sich dann ebenfalls mit den Ursprüngen der Ultrakultur im Jahre 1968. Damals als in Mailand das erst selbstgemalte Banner aufgehängt wurde und der Ursprung der ältesten Gruppe Fossa dei Leoni liegt. Wie es danach weiter ging, welche Repressionen Fans immer wieder ausgesetzt sind und wie es mit der Entwicklung im italienischen Fußball aussieht, kann nun alles in diesem Buch nachgelesen werden. Es dürfte damit schon eine Art Standardwerk für all diejenigen sein, die sich für die Fankultur interessieren und die verstehen wollen, was in den Kurven im In- und Ausland so abgeht und warum so viele Menschen in dieser Subkultur aufgehen.


Kai Tippmann, der in der Vergangenheit bereits Tifare Contro sowie Cani Sciolti ins Deutsche übersetzt hatte, äußert sich im Vorwort von Stadionrebellen wie folgt: „Ich erinnere mich noch bestens daran, wie ich mir auf der allersten Lesung zu meinem ersten Buch – eben ‚Tifare Contro‘ – anhören musste: ‚Gibt es denn nichts, was ich meiner Mutter auf den Tisch legen kann, damit die irgendwie versteht, was ich da mache?‘ Es hat ein Jahrzehnt gedauert, aber ich glaube, dieses Buch gibt es jetzt. Und ich persönlich finde es sowieso gut, auch selbst die Hintergründe dessen zu kennen, was man da Wochenende für Wochenende so tut, warum das Menschen schon vor 50 Jahren getan haben und woraus man lernen sollte, wenn man dasselbe auch in zehn Jahren noch tun will.“


Wo steht der italienische Fußball in der heutigen Zeit? Was ist von der Leidenschaft geblieben?


Vor allem aber freut sich der Autor Pierluigi Spagnolo über die Anerkennung für sein Werk und das negative Stimmen ausblieben. So äußerte er sich in einem Interview mit Erlebnis Fußball: „Ganz ehrlich, ich habe wirklich keine Kritik erhalten. Ich glaube, dass die Echtheit und Aufrichtigkeit gewürdigt wurden, mit denen das Buch geschrieben wurde. Auch in den sozialen Medien, auf Facebook und Instagram, musste ich noch nie eine Kritik am Buch oder einen Vorwurf mir gegenüber löschen. In der Ära der Hater ist das wirklich ein Wunder, vor allem bei einem so sensiblen Thema wie Fußballfans…“